Neuer, sehr ausführlicher Bericht im Radio DRS
(Zitate folgen)
PSZeitung 09.10.2015 Thierry Frochaux
ERSTKONTAKT
Zum Auftakt der neuen Winkelwiese-Intendanz gibts eine schrullige, vorsichtige Annäherung zweier Figuren, die sich derweil ihrer Vorurteile, Befürchtungen und Feindseligkeiten entledigen.
Nicht um Recht im engeren Sinne geht es, sondern um ein Abstecken des Reviers. Das natürlich vonseiten langjähriger Concierge (köstlich: Ingo Ospelt) bis in die hintersten Winkel sämtlicher Mietwohnungen reicht und die Freigabe jedes Meterchens ist gleichsam eine Drohkulisse, den eigenen guten Ruf zu verlieren. Die Mieterseite allerdings (sichtlich verstört: Manuel Bürgin) will Ruhe, Einkehr, Privatsphäre und sieht sich ausserstande, die sich stets verwandelnde, aber immer gleichförmig vielredende Vermieterin auf Distanz zu halten.
… Stephan Teuwissen thematisiert die Vielfalt potenzieller Schwierigkeiten einer erstmaligen Annäherung, die dann aber natürlich ein bisschen halten soll, auf kunstvolle Weise …
Melanie Huber übersetzt diese gefühlte Klaustrophobie einer beidseitig als übergriffig empfundenen Selbstbehauptung in eine hauptsächlich schrullige Komik, die von den beiden Schauspielenden als köstlich zueinander stehenden Ergänzungen zu einem grösseren Dritten erhoben werden.
Dank dieser Verschrobenheit im Spiel – da ist die Rumpelkammerbühne von Nadia Schrader noch nicht mal mitgemeint – lässt sich publikumsseitig sehr schön eine grosse Distanz zum Geschehen aufbauen …
SRF2 Kultur Kompakt 06.10.2015
Kaa Linder
Gelungener Saisonauftakt mit neuem Chef am Theater Winkelwiese in Zürich
Der neue Intendant Manuel Bürgin steht als Schauspieler auf der Bühne … ein kluger Entscheid…
… Was ist eine „Märtyrerkomödie“? Nie gehört, klingt aber ebenso aufregend wie befremdlich und genau so ist der Theaterabend „So fängt es an“…
… Ein kunstvolles Durcheinander ist dieses Bühnenbild…
… Victorine wird – gelungene Überraschung – von Ingo Ospelt in Lachsfarbenem Kaschmirpulli gespielt… Sie spachtelt potentielle neue Mieter mit rhetorischem Fugenkleber ein… Doch Jean-David mit Ledermappe, Zollstock und dem klaren Apell, dass er Gewaltiges vorhabe, leistet Widerstand …
„So fängt es an“ beschreibt das Innenleben zweier Menschen, die sich nicht ausgesucht haben und trotzdem miteinander klarkommen müssen… Durch die Sprache zeigen sie sich ihren eigenen Innenräume, die mit Gedanken und Ängsten, und Erinnerungen, Zukunftsvisionen möbliert sind …
… eine Groteske, ein absurder Dialog für zwei ausgemachte Neurotiker, die sich mit ihren Defiziten besser auskennen als mit gesellschaftlichem Smalltalk…
… eine Kongeniale Dimension, ein klares Statement für Neuanfang und Spielfreude.
Mit „So fängt es an“ ist Manuel Bürgin zu Hause im Theater Winkelwiese angekommen. Es ist ein gelungener Einstand und ein viel versprechender Anfang.
Hier ganzer Radio-Beitrag (Ab minute 16) Enthält auch Livemitschnitte
TAGESANZEIGER 05.10.2015
Andreas ToblerManuel Bürgin eröffnet Intendanz an der Winkelwiese
Ein Veterinärbeamter, der alle einschläfern will; drei Ehemänner, davon mindestens zwei tot. Und dann noch die beiden vor uns auf der Bühne – Mieter und Concierge -, die sich wie Spinnen auf Crack verhalten. Oder auf einer anderen Droge, die einen in einem Kokon einschliesst, aber nicht daran hindert, andere mit psychedelisierter Weltlogik einzuspinnen … Das ist so ungefähr die Ausgangssituation von «So fängt es an», wobei der neue Hausherr gleich selbst mitspielt – als Mieter, der wiederholt erklärt, dass er «Gewaltiges» vorhabe.
Worin die Gewaltigkeit von Bürgins Mieter besteht, wird nie ganz klar, spielt aber auch keine Rolle. Denn im Stück geht es darum, die Welten der Concierge und des Mieters aufeinandertreffen zu lassen – vor einer gewaltigen Assemblage aus alten Möbeln, die sich der Mieter möglichst schnell aus seinem Zimmer wünscht… Das Ziel der soiree ist aber ein anderes: Sie mündet im programmatischen Satz, dass wir uns die Welt «poetisch wünschen», sie uns aber «prosaisch» widerspricht. Und da wir ja alle kleine Widerstandskämpfer sind, muss der Prosa-Welt die Stirn geboten werden – mit poetischer Versponnenheit! … Selten so gedacht. … Ganz ernst ist es diesem Abend jedoch nicht. Das zeigt die Regie von Mélanie Huber, wenn sie Ingo Ospelt als Concierge-Charge über ihre toten Männer monologisieren lässt. …
SCHWEIZER FEUILLETONDIENST 05.10.2015
Karl Wüst… Gefeierte Uraufführung zur Saisoneröffnung war am Samstag im Theater an der Winkelwiese in Zürich.
… „So fängt es an“, weiss die Concierge schon zu Beginn, wirft sich in Pose, beäugt ihre Fingernägel, belächelt den Mieter von oben herab und denkt dabei wohl an sein Leiden, sein Martyrium. Und ist sich doch auch bewusst, dass es ihr kein Stück besser geht. „Leben und Leiden sind eins“, sagt sie, die schon als junge Frau den Zug verpasst und auch mit ihren Männern kein grosses Los gezogen hat.
Stimmige Umsetzung
Die Zürcher Regisseurin Mélanie Huber bringt 70 spannungsvolle Minuten auf die Bühne. Es gelingt ihr, die Stimmungsschwankungen der beiden Figuren differenziert herauszuarbeiten. Gut dosiert macht sie Tempo oder drosselt es und sorgt so dafür, dass die Absurdität und das komische Potenzial dieser „Märtyrerkomödie“ voll zum Tragen kommen.
Am Schluss ist die Bühne leergeräumt, dafür voller Hall und dunkler Erinnerungen. Jean-David und Victorine sind sich in ihrer Einsamkeit näher gekommen, haben den Krempel gemeinsam weggetragen und öffnen eine Flasche Wein. Er sei „angekommen, wie zu Hause“, sagt Jean-David. „Auf gute Mieterschaft!“NZZ 05.10.2015
„Möblierte Melancholie„… Der neue Theaterleiter Manuel Bürgin verkörpert einen der Protagonisten des Duetts, Jean-David. In der Figur des Umziehenden, der «Gewaltiges» vorhat, thematisiert er vielschichtig den Neubeginn des Kleintheaters und seinen eigenen als Intendant. Jean-David wünschte ein «unmöbliertes und besenreines» Zimmer. Nun steht er verstört in einer Abstellkammer voller Altlasten, was im Gewölbekeller gut zur Geltung kommt.
… Die wunderbar unförmigen Mobiliar-Skulpturen erinnern, abgesehen davon, dass sie aus Holz bestehen, an Tinguelys Plastiken (Bühne: Nadia Schrader). Bald ist die Concierge zur Stelle, Victorine heisst sie und ist eigentlich ein Er. Ingo Ospelt, in ungewohntem Rosa, mit Schmuck und lackierten Zehennägeln, verkörpert die alternde Dame.
… Ospelt überzeugt mit seiner charmanten Schrägheit, etwa wenn Victorine widerwillig hilft, die Möbel hinauszubefördern, wenn sie von ihren Ex-Ehemännern erzählt. Absurd ist Jean-Davids Kindheitserinnerung: Weil er sich am Elend des Erbärmlichen labte, belieferte er einen Mann, der süchtig danach war, Zeitungen mit Leim zusammenzukleben, mit Magazinen. …
So fängt es an – Der Furchtlose (Tagesanzeiger – ZT)
PDF PLAKAT: PLAKAT So fängt es an
18. August 2015
SRF Kultur Kompakt ca. ab Minute 12
SRF – Regional Ein Bubentraum geht in Erfüllung